Das “Stadtfelder Schloß”

Volksstimme vom 22.02.2011
Volksstimme vom 22.02.2011
Recht unscheinbar hinter einem Holztor und einer kleinen Steinmauer verbergen sich in der Steinigstraße die letzten Überreste einer einstmals imposanten Fabrikantenvilla. Allein von den Ausmaßen musste sich das Gebäude seinerzeit nicht vor anderen repräsentativen Bauten wie dem ungefähr zur gleichen Zeit erbauten „Haus des Handwerks“ verstecken.

Klaus Vogler hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die Geschichte der Lippertschen Villa, in der er seit 56 Jahren lebt, der Nachwelt zu erhalten. Vor kurzem eröffnete er dazu seine „Stadtfelder Schlossküche“, in der er neben wechselnden Ausstellungen befreundeter Künstler und Stücken aus seiner privaten Keramikkunstsammlung auch die Historie der einstigen Prachtvilla akribisch dokumentiert.

Der Magdeburger Zuckergroßhändler Bernhard Lippert war 1904 Bauherr des „Stadtfelder Schlosses“ in der Steinigstraße, damals Emilienstraße. Schaut man sich Aufnahmen aus der Blütezeit der Villa an, erkennt man, dass der Begriff keine Übertreibung ist. Insgesamt über 900 Quadratmeter Nutzfl äche, schätzt Klaus Vogler, haben sich auf das Souterrain, zwei Etagen und das Dachgeschoss verteilt. In diesen wohnten neben den Eheleuten Lippert und ihren drei Kindern auch deren Bedienstete.

Der Großteil der Fläche war aber für die Gemäldegalerie des Hausherrn reserviert. Über zwei Stockwerke verteilte sich die Sammlung, zu der u. a. „Der Abend“ von Max Klinger zählte. „Eine komplette Liste der ausgestellten Werke wäre ein Traum“, bedauert Klaus Vogler, dass sein Wissen darüber so lückenhaft ist.

Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise von 1929 erreichten mit einiger Verspätung jedoch auch den Zuckerhändler. Der Großteil der Gemälde wurde offenbar verkauft, die Galerieräume zu Mietswohnungen umgebaut, um wieder Geld in die Kasse zu spülen. In der Bombennacht des 16. Januars 1945 fi el auch das Stadtfelder Schloss mehreren Brandbomben zum Opfer. „Mein Nachbar Max Weißing erzählte mir, dass sich das Feuer vier Tage lang vom Dach bis zum Keller langsam durchfraß“, weiß der Sechzigjährige. Nur eine Ruine blieb übrig. Nachdem Familie Lippert aus dem Fluchtexil zurückkehrte, wurde eine Notunterkunft im Parterre für die Mutter eingerichtet, in der sie bis 1955 noch lebte.

Damals zogen Klaus Voglers Eltern mit ihren drei Kindern in die Wohnung ein. „Erst viel später habe ich erkannt, in welchem architektonischen Kleinod wir leben“, sagt er heute. Als 1985 der Rat der Stadt die letzten Ruinenreste sprengte, begannen die Recherchen zur Geschichte des Wohnhauses.

Der Archivar Heiko Schmietendorf stand eines Tages am Gartenzaun und versuchte, das Motiv auf einer seiner alten Postkarten einzuordnen. Er und Klaus Vogler kamen ins Gespräch und man fand insgesamt vier Ansichtskarten, die Familie Lippert wohl anlässlich des Hauseinzugs an Freunde verschickte. „Zum Angeben“, ist sich der Hobby- Galerist sicher.

In der ehemaligen Großküche hat er nun die Galerieräume eingerichtet, darunter befi ndet sich der Tiefkeller, in dem die Weine der Lipperts lagerten. „Da dieser aber akut einsturzgefährdet war, konnten wir dort nicht mehr hinein“, bedauert er. Dafür entdeckte er in den vergangenen Jahren zwei Hochgewölbe, die sich unter eingezogenen Decken 50 Jahre lang verbargen. „Inzwischen habe ich aber alle Geheimnisse des Hauses entdeckt“, glaubt er.

Hinter dem Haus liegt eine große gepflegte Gartenlandschaft. „Schließlich habe ich vor 40 Jahren im Herrenkrug Gärtner gelernt“, erklärt er. „Hier habe ich z.B. Ottersleber Pflastersteine vorm Abtransport in Richtung Westen gerettet“, sagt er und zeigt auf ein Rondell in der Anlage. Am 18. Juni, zum Tag des Offenen Gartens, will er die wunderschöne Anlage den Magdeburgern zeigen und die Reste der einst eindrucksvollen Lippertschen Villa präsentieren.

www.schlosskueche.info

(Volksstimme vom 22.02.2011)

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