Stellungnahme des “Bürger für Stadtfeld e.V.” zum Bebauungsplan „Klaus-Miesner-Platz“

Bürger für Stadtfeld e.V.Stellungnahme zur Auslegung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 223-1.3 „Klaus-Miesner-Platz“ vom 22.02.2018

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Fristgerecht nehmen wir zum ausgelegten Bebauungsplan wie folgt Stellung:

1. Denkmalgerechte Sanierung der Hermann-Giesler-Halle

Für den Stadtfelder Bürgerverein steht die Sicherung des kulturellen Erbes mit der denkmalgerechten Sanierung der Hermann-Gieseler-Halle (HGH) im Mittelpunkt. Die von Bruno Taut und Johannes Göderitz errichtete Halle „Stadt und Land“ ist das erste im Stil des „Neuen Bauens“ errichtete kommunale Bauwerk in Deutschland. Die Konstruktion aus acht Stahlbeton-Bogenbindern macht die Halle zu einem weltweit einzigartigen Baudenkmal. Mit der Aufnahme der HGH in das am 20.02.2018 von der Landesregierung beschlossene Netzwerk „Das Bauhaus Dessau und die Orte der Moderne“ soll das Bauwerk dauerhaft in das touristische Angebots- und Vermarktungsprofil des Landes Sachsen-Anhalt integriert werden.

Die Sanierung des Bauwerks ist von daher dringlich und geboten. Mit dem Beschluss zum Verkauf des Objektes hat sich die Landeshauptstadt von Ihrer Verpflichtung zur Erhaltung des kommunalen Bauwerks befreien wollen. Dies kann u.E. nicht gelingen.

Das Interesse des Vorhabenträgers liegt fast ausschließlich auf der Erlangung eines zentral gelegenen Grundstückes für die Errichtung des POCO-Möbel- und Einrichtungsmarktes. Die ursprüngliche Absicht die HGH in diese Nutzung einzubeziehen ist schon 2016 aufgegeben worden.

Bis zum heutigen Tage hat der Investor keine realistischen Vorstellungen zur Nutzung der denkmalgeschützten einzigartigen Halle. Seine Vorschläge, die HGH als „Markthalle“ bzw. als „Basar“ (vgl. 06.12.2017) auszubauen, sind unrealistisch. Schon der Versuch, eine sehr viel kleinere Markthalle in zentraler Lage am Marktplatz in Magdeburg zu installieren, ist vor einigen Jahren kläglich gescheitert. Vergleiche mit der innerstädtischen Markthalle in Hannover oder der Kleinmarkthalle im Zentrum Frankfurt/Main ziehen nicht.

Es ist nicht damit zu rechnen, dass bis 2021 für die HGH angemessene lukrative Nutzungen gefunden werden, die die Chance bieten, die notwendigen Kosten von rund 20 Mio. Euro zu refinanzieren.

Das gewählte B-Planverfahren nach § 12 BauGB verlangt vor dem Satzungsbeschluss die rechtssichere Formulierung und den Abschluss des Durchführungsvertrages. Im Durchführungsvertrag muss sich der Vorhabenträger zur Umsetzung der denkmalgerechten Sanierung der HGH verpflichten.

Da in der Halle mit Ausnahme eines auf eine Verkaufsfläche von 400 m² begrenzten Ankermieters kein Innenstadtrelevanter Einzelhandel untergebracht werden darf, bestehen große Zweifel, dass die Sanierung von Vorhabenträger nach 2021 wirklich realisiert werden kann.

Um ganz sicher zu sein, müsste der Investor schon vor Errichtung der Bauten für den Möbelmarkt eine Erfüllungsbürgschaft in der Größenordnung der erwarteten Baukosten vorlegen. Erst anschließend darf u.E. mit dem Bau des Möbelmarktes begonnen werden.

Abschließend stellt sich die Frage, ob die Stadt die Bauleitplanung überhaupt nach § 12 BauGB als vorhabenbezogenen Bebauungsplan hätte ausrichten dürfen, da die künftige Nutzung der Gieseler-Halle unbestimmt ist und weder für die HGH noch für den POCO-Möbelmarkt eine konkrete Vorplanung vorliegt. Aus dem Vorhabenplan nicht zu erkennen, sind z.B. die Haupt-, Nebeneingänge und die Lage der Anlieferung oder Ausgabeschalter für gekaufte Möbel; sogar Geschossigkeit bleibt offen. Üblicherweise werden bei vorhabenbezogenen B-Plänen mindestens Regelgrundrisse mit den Details z.B. der Müllentsorgung, der Fahrradabstellanlagen usw. verlangt.

Wir empfehlen den Abbruch des Verfahrens und die Umwandlung in ein Normalverfahren.

2. Denkmalrechtlicher Umgebungsschutz

Grundlage des Aufstellungsbeschlusses und Bestandsteil des bereits abgeschlossenen Grundstückskaufvertrages war der Vorhabenplan des Investors vom 05.09.2016.

Zum damaligen Zeitpunkt sollte westlich der HGH unmittelbar zu der Böschung zum Westring eine eingeschossige Lagerhalle und südlich der HGH ein zweigeschossiger Möbelmarkt mit einer baulichen Verbindung zur Gieseler-Halle errichtet werden. Bei diesem Baukonzept wäre eine Komplettansicht auf das denkmalgeschützte Bauwerk mit dem einzigartigen Dach und dem zur Sanierung anstehenden Lichtband gegeben.

In dem jetzt ausgelegten B-Planentwurf soll zwischen Westring und Gieseler-Halle ein 130 m langes und 15 m hohes Gebäude für den POCO-Markt entstehen. Damit stünde die am First (Lichtband) nur ca. 13 m hohe Gieseler-Halle „im Schatten“ bzw. wäre aus der Blickrichtung vom Westring komplett verdeckt.

Für uns stellt sich die Frage, ob derartige Änderungen des Vorhabenplans im Rahmen der Bauleitplanung überhaupt zulässig sind und in wieweit diese Änderungen einer Zustimmung des Verkäufers bedürfen. Die in der Veranstaltung unseres Bürgervereins vom Vorhabenträger gegebene Begründung, die Änderungen seien notwendig geworden, weil man südlich der HGH ein MVB-Trafohäuschen „gefunden“ habe, dass ohne erheblichen Mehraufwand nicht beseitigt werden könne, lässt auf eine unprofessionelle Vorbereitung des Vorhabenplans und des Kaufvertrages schließen.

Wie aus der Begründung zum B-Plan hervorgeht, bestehen schon deshalb keine Bebauungsmöglichkeiten südlich der Halle, weil hier Leitungsrechte für Trinkwasser, die MVB-Elektroversorgung und 10 kV-Kabel für die Deutsche Bahn bestehen. In diesem Bereich können also allenfalls Parkplätze, aber keine Gebäude errichtet werden.

Unseres Erachtens bleibt dem Investor die Möglichkeit, ein maximal 8 m hohes Gebäude mit maximalem Abstand westlich von der HGH direkt an die Böschung zu stellen.

Weiterhin empfehlen wir den Vorhabenträger noch einmal zu prüfen, ob er nicht die Chance ergreift, den Handel mit Einrichtungsgegenständen hauptsächlich in dem einzigartigen Innenraum – vielleicht sogar teilweise als Galerie der Gieseler-Halle – zu konzentrieren. Er könnte sicher die Flächen zwischen der Halle und dem Rinderetagenstall sowie der Rindermarkthalle (Kaufland-Parkhaus) zur Anlieferung, Abholung von Möbeln oder auch für einen Anbau nutzen.

3. Fehlende (Verkehrs-)Konzeption für das Schlachthofquartier

Der B-Plan betrifft einen Teil des seit 2000 rechtskräftigen Bebauungsplans für das gesamte Schlachthofquartier. Mit diesem Teilbereich wird erneut ohne ein Gesamtkonzept (z.B. Städtebaulicher Rahmenplan) versucht einen Abschnitt zu ordnen. Die beabsichtigte Errichtung beispielsweise eines Möbelmarktes hat aber Auswirkungen auch auf andere Teile dieses Stadtquartiers und erfordert auch dort städtische Vorgaben und möglicherweise aus dem B-Plan „Klaus-Miesner-Platz“ resultierende Anpassungen der Infrastruktur.

Schon die Bewältigung des Verkehrs lässt daran zweifeln, dass die Aufstellung des Bebauungsplans auf der Grundlage § 12 Baugesetzbuch (BauGB) als vorhabenbezogener Bebauungsplan machbar ist.

Die Begründung zum B-Plan enthält keinerlei Aussagen, wie der zu erwartende motorisierte Individualverkehr (MIV) gemeistert werden soll. Mit annähernd 600 Parkplätzen wird deutlich, dass bei der Umsetzung des Vorhabens mit erheblichen bisher nicht vorhandenem Kundenverkehr gerechnet wird. Offenbar sollen die Kraftfahrzeuge über den Knotenpunkt Liebknechtstraße und Wilhelm-Kobelt-Straße abgewickelt werden. Neben der vorgesehenen Wohnnutzung soll eine drei- oder vierzügige Grundschule neu gebaut werden. Schon heute ist die Liebknechtstraße gut gefüllt. Die Leistungsfähigkeit des Knotens an der Wilhelm-Kobelt-Straße ist zweifellos begrenzt. Die Installation einer weiteren Lichtsignalanlage mit der kurzen Entfernung zum Westring ist kaum denkbar.

Zum Anlieferverkehr des Möbelmarktes findet sich in der Begründung überhaupt keine Aussage. Die Bemerkung des Entwurfsverfassers Rolf Onnen in der Veranstaltung des Stadtfelder Bürgervereins am 13.02.2018 („Es wird höchstens einen LKW pro Stunde geben.“) ist nicht ausreichend. Die Breite der Wilhelm-Kobelt-Straße kann den Kunden- und Anlieferverkehr nicht aufnehmen. Zwar verfügt die Straße über mit Grünstreifen und Alleebäumen abgetrennte Gehwege, ein sicherer Radverkehr wäre allerdings nicht gegeben. Selbst wenn auf beiden Seiten Schutzstreifen markiert würden. Begrüßt wird der in der Sitzung des Stadtrates am 07.12.2017 einstimmig beschlossene Vorschlag die Andienung des Möbelmarktes und der künftigen Handelseinrichtungen mit LKW ausschließlich über die Schlachthofstraße von hinten entlang direkt der Bahnlinie zu organisieren. Hier ergibt sich das bereits o.g. Problem, dass der Vorhabenträger den gegebenenfalls notwendigen Ausbau der Schlachthofstraße und der Erschließung entlang der Bahnlinie durchführen und finanzieren müsste.

Es bedarf dringend gutachterlicher Stellungnahmen zum erwarteten Verkehrsaufkommen, zur Leistungsfähigkeit des Knotens und der Wilhelm-Kobelt-Straße sowie der Vorplanungen für die vom Stadtrat gewünschte rückwärtige Erschließung.

Im Bebauungsplan sind zwar annähernd 600 PKW-Stellplätze verzeichnet, Aussagen zu den Abstellanlagen für den Fahrradverkehr fehlen aber gänzlich. Gemäß der neuen Stellplatzsatzung sind – wie in der Stadtratssitzung am 07.12.2017 im Änderungsantrag DS 0486/17/1/1 ebenfalls beschlossen wurde – allerdings je 100-150 m² Netto-Verkaufsfläche ein Fahrradabstellplatz nachzuweisen und davon 25 % regensicher zu überdachen oder im Gebäude unter zu bringen. Die Ausführungen zum Fuß- und Radverkehr in der Begründung finden grundsätzlich unsere Zustimmung. Auch wir unterstützen die Realisierung der Variante West/Nordwest.

Aus dem über die Wilhelm-Kobelt-Straße abzuwickelnden Kundenverkehr ergibt sich möglicherweise auch die Notwendigkeit weiterer schalltechnischer Untersuchungen. Insbesondere die gegebenenfalls aus dem MIV herrührenden Lärmauswirkungen stehen unter dem Vorbehalt, dass die bisher nicht feststehenden Nutzungen der Hermann-Gieseler-Halle sich nicht auf Nachtstunden (22:00 Uhr bis 6:00 Uhr) erstrecken. Auch dies erscheint umfassend angesichts der Unbestimmtheit der Nutzung der HGH schwierig, da gegebenenfalls auch z.B. kulturelle oder gastronomische Nutzungen in den Nachtstunden denkbar sind.

Abschließend möchten wir noch einmal unterstreichen, dass beide Teile des vom Stadtrat beschlossenen Prüfauftrags zwingend umzusetzen sind.

4. Sportliche Nutzung der Gieseler-Halle als Ausweg aus dem Dilemma

Insbesondere auch auf Grund der Turbulenzen, in denen der Steinhoff-Konzern derzeit steckt, sollte auch darüber nachgedacht werden, ob es nicht sinnvoll erscheint, den Verkauf der Gieseler-Halle rückgängig zu machen und das hochgradige Baudenkmal weiterhin öffentlich für Sportzwecke zu nutzen.

Dafür spricht außerdem, dass der notwendige bisher nicht ausfinanzierte 3 bis 4-zügige Ausbau der Grundschule „Am Westring“ deutlich verbilligt werden kann, weil man auf dem Neubau der Schulsporthalle verzichten könnte und sicher 2 bis 3 Mio. Euro sparen würde.

Weiterhin könnten der Stadtsportbund und ggf. das Fanprojekt dort verbleiben. Für die auch ursprünglich angedachte Sanierung der HGH als außergewöhnliche Sporthalle gemäß den Vorgaben des Deutschen Handballverbands spricht weiterhin, dass der gem. am 20.02.2018 bestätigten Bauvorlage für die Ersatzsporthalle zum einen die veranschlagten Bruttobaukosten inzwischen auch auf 12 Mio. Euro angewachsen sind und zum anderen Zielvorgabe des Grundsatzbeschlusses vom 03.09.2015 (bis zu 1.800 Zuschauerplätze) nur mit etwa 58 % (1.048 Plätze) erreicht wird. Auch das Ziel den Stadtsportbund und das Fanprojekt dort unterzubringen, wurde inzwischen aufgegeben. Eine Lösung ist noch nicht in Sicht. Darüber hinaus ist die Freiflächenplanung noch nicht zufriedenstellend gelöst.

Wir empfehlen, den B-Plan nicht weiter zu führen und die Rückabwicklung des Kaufvertrages vorzunehmen. Die Landeshauptstadt wäre gut beraten, unter Verzicht auf die Sporthalle die fertige und mit der Denkmalpflege vollumfänglich abgestimmte Sanierungsplanung von 2015 umzusetzen. Möglicherweise können die notwendigen hohen Kosten für die Stadt mit Fördermitteln des Landes abgesenkt werden. Neben dem Stark 3-Programm sind unter dem Aspekt der touristischen Vermarktung als „Ort der Moderne“ auch weitere Fördermittel zu erlangen.

Zudem dürfte es mehr als wünschenswert sein, wenn sich die Landeshauptstadt zu der Sanierung eines Denkmals bekennt, die der Bewerbung “Kulturhauptstadt” mehr als zuträglich sein würde.

 

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Presseecho: “Magdeburger wollen Gieselerhalle zurück”

“Der Stadtfelder Bürgerverein legt gegen die Umbaupläne für die Hermann-Gieseler-Halle in Magdeburg ein klares Veto ein. Statt der geplanten Sanierung und Umnutzung für Handel durch die Steinhoff-Gruppe soll die Stadt Magdeburg den Verkauf wieder rückgängig machen und selbst investieren – für einen Weiterbetrieb als Sportstätte.”

Mehr in der Volksstimme vom 28.02.2018

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