Chronik des Tunnelbaus in Magdeburg

Frühjahr 2004
Die Deutsche Bahn informiert die Stadt Magdeburg darüber, dass sie mehrere inzwischen marode Brücken sanieren bzw. austauschen möchte. Sie gehören zum Eisenbahnknotenpunkt Magdeburg, sind also viel befahren und stammen zum Teil noch aus dem 19. Jahrhundert. Dazu zählen auch die Brücken über der Ernst-Reuter-Allee am Hauptbahnhof. Die Chance für Magdeburg, zeitgleich die Durchfahrt zu erneuern.

2. Mai 2005
Der Magdeburger Stadtrat fasst einen ersten Beschluss darüber, was mit der Ernst-Reuter-Allee beim Neubau der Brücken passieren soll. Dabei ist noch nicht von einem Autotunnel die Rede. Bevorzugt wird, dass die Straßenbahnen weiter auf der Ernst-Reuter-Allee fahren. Allerdings sollen sie nach Möglichkeit einen eigenen Gleiskörper bekommen. Außerdem ist angedacht, unter den östlichen Bahnbrücken eine neue Haltestelle einzurichten. Dafür sollen die Brücken in ihrer Stützweite auch verbreitert werden. Das heißt, der Bereich unter den Brücken wird breiter. Die Kosten für das Gesamtvorhaben belaufen sich auf 36,36 Millionen Euro. Klar ist schon jetzt: Angesichts der schmalen Durchfahrt unter den Bahnbrücken lassen sich die Ziele nicht optimal umsetzen.

28. März 2006
Es wird konkreter. Inzwischen sind die Möglichkeiten genauer ausgelotet worden. Das Rathaus legt den Stadträten erste konkrete Varianten vor. Sie waren nach Gesprächen mit der Deutschen Bahn entstanden. Sie hatte Bedenken zu der bisher bevorzugten Variante geäußert. Der Konzern fürchtet wegen der langen Bauzeit Auswirkungen auf den eigenen Betrieb. Nun ist auch erstmals die Rede von einem Autotunnel, der unter der Ernst-Reuter-Allee verlaufen soll. Straßenbahnen, Fußgänger und Radfahrer sollen auf Ebene der bisherigen Straße verbleiben. Vorgesehen ist auch eine Doppelhaltestelle für die Straßenbahnen in der Mitte der Brückendurchfahrt, also am Kölner Platz. Der Kostenrahmen steigt hierfür. In der Drucksache selbst ist bei dieser Variante die Rede von „Bauwerkskosten“ in Höhe von 36,74 Millionen Euro. In Medienberichten werden die Gesamtkosten später mit 37,69 Millionen Euro beziffert. Auf Magdeburg entfallen knapp 21 Millionen, wovon ein Großteil – so die Hoffnung – das Land mit Förderprogrammen tragen soll. Übrig blieben 3,9 Millionen Euro Eigenbeteiligung.

04. Mai 2006
Der Stadtrat beschließt, die Entscheidung aus dem Vorjahr zurückzunehmen. Stattdessen wird nunmehr der Bau eines Tunnels favorisiert. An die Bahn geht der Appell, die Dauer der Bauarbeiten so kurz wie möglich zu halten.

15. März 2007
Eine Planungsvereinbarung mit der Deutschen Bahn muss im Stadtrat eine Ehrenrunde einlegen, bevor sie verabschiedet wird. Auch in der SPD-Fraktion, der auch Oberbürgermeister Lutz Trümper angehört, kommen Bedenken hinsichtlich der Kosten auf. Es stellt sich vor allem die Frage, ob Magdeburg per sé dazu verpflichtet ist, sich an den Kosten des Brückenaustausches zu beteiligen. Antwort der Verwaltung: Ja, da an der Straße unter den Brücken in jedem Falle Veränderungen vorzunehmen sind, damit die Durchfahrt neuesten Vorschriften entspricht. Die Stadt beruft sich konkret auf das Eisenbahnkreuzungsgesetz.

10. Mai 2007
Die überarbeitete Drucksache zur Planungsvereinbarung mit der Bahn passiert den Stadtrat. Allerdings setzt die SPD-Fraktion einen wichtigen Änderungsantrag durch: sollte sich der Kostenanteil der Stadt wesentlich, um mehr als zehn Prozent, erhöhen, trägt es Magdeburg nicht mit. Eine Entscheidung, die sich später noch als Anlass für zahlreiche Streitigkeiten erweisen soll.

06. September 2007
Bisher ist in den Planungen von einem Tunnel die Rede, der im Westen am Damaschkeplatz beginnt und im Osten noch vor der Kreuzung Weinarkaden – das ist die Kreuzung der Ernst-Reuter-Allee mit der Otto-von-Guericke-Straße – endet. Damit blieben die Wartezeiten an der Ampelkreuzung erhalten. Auf Antrag der Fraktionen von CDU und Bund für Magdeburg beauftragt der Stadtrat, eine längere Tunnelvariante zu prüfen. In diesem Fall soll der Tunnel auf östlicher Seite bis hinter die Kreuzung verlängert werden. Diese Tunnel-Variante wird nun auch in mehreren Ausschüssen beraten.

08. Mai 2008
Der Stadtrat beschließt weitere Veränderungen rund um den Hauptbahnhof. So sollen Straßenbahnhaltestellen und Treppenanlagen verändert werden. Außerdem ist vorgesehen, den Kölner Platz, also den Parkplatz zwischen den Eisenbahnbrücken und den Gleisen, umzugestalten. Da er, sobald der Tunnel fertig ist, nicht mehr von Autos angesteuert werden kann, soll er auch künftig nicht mehr als Parkplatz dienen, sondern als Platz zum Verweilen. Allein für diese Veränderungen werden in der Drucksache Gesamtkosten von 13,8 Millionen Euro genannt. Magdeburg muss sich mit 1,04 Millionen Euro beteiligen. Da der Kölner Platz erst nach Ende der Arbeiten an den Bahnbrücken und am Tunnel umgestaltet werden kann, also nach aktuellem Stand im Jahr 2014, reicht die SPD-Fraktion einen Änderungsantrag ein. Ihr geht das mit den Beschlüssen zu schnell. Der Antrag, den Beschluss zurückzustellen, wird jedoch abgelehnt.

13. Oktober 2008
Tunnelgegner schließen sich zu einer Bürgerinitiative zusammen. Unterstützt wird die Gründung vom Landesverband des BUND und von der Ratsfraktion von future! – Die junge Alternative. Außerdem sind in der BI Mitglieder der grünen Stadtratsfraktion und Vertreter der Innenstadt-Geschäfte. Sie fürchten wegen der langen Tunnel-Bauarbeiten erhebliche Einbußen. Die Initiative kritisiert eine „unerträgliche Desinformation und Fehlinterpretation der Planungen gegenüber den Bürgern, der lokalen Wirtschaft und der Lokalpolitik“.

06. November 2008
Der Stadtrat fasst einen Grundsatzbeschluss. Angestrebt wird nun, den Tunnel bis hinter die Kreuzung der Ernst-Reuter-Allee mit der Otto-von-Guericke-Straße, also bis zur Einmündung Krügerbrücke, zu verlängern. Die Gesamtkosten würden sich bei dieser Variante – so die Schätzung – auf rund 50 Millionen Euro erhöhen. Die Debatte verläuft hitzig. Aus fast allen Fraktionen melden sich Skeptiker zu Wort. Vor allem der Finanzierungsplan wird angezweifelt. Einzig die CDU steht geschlossen zum Vorhaben. Dennoch steht wieder einmal die knappe Mehrheit. Oberbürgermeister Trümper räumt ein, dass der Tunnel die Verkehrssituation in der bisher angestrebten Variante nicht verbessere. Er habe sich dafür entschieden, da die Stadt dabei finanziell günstiger wegkomme und am Kölner Platz eine Straßenbahn-Haltestelle entstehen könne. Trümper gesteht, auch ohne Tunnel leben zu können: „Wenn ‘s für uns teurer wird, ist das für mich passé.“

26. März 2006
Die Linke scheitert im Stadtrat deutlich mit ihrem Antrag, zum Tunnel einen Bürgerentscheid durchzuführen. Oberbürgermeister Trümper sieht darin ein „Wegdelegieren von Verantwortung“.

28. Mai 2009
Wieder einmal gibt es Lagerkämpfe im Stadtrat. Diesmal jedoch stimmt erstmals eine knappe Mehrheit gegen den Tunnel. Die Grünen hatten beantragt, das Vorhaben im Haushalt des folgenden Jahres auf der Investitionsprioritätenliste von Platz 20 ganz nach hinten auf Platz 42 zurückzusetzen. Mit 22:20 stimmt der Stadtrat dafür.

05. August 2009
Die Kosten für den Tunnel steigen. Das gibt Oberbürgermeister Trümper auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre bekannt. Die Gesamtkosten werden nun mit 44,94 Millionen Euro beziffert. Das sind 7,25 Millionen Euro mehr als bisher. Der Eigenanteil der Stadt Magdeburg steigt auf 6,2 Millionen Euro. Als Grund wird unter anderem die Mehrwertsteuererhöhung auf 19 Prozent genannt. Daehre stellt Fördermittel in Höhe von 20,4 Millionen Euro in Aussicht. Für eine Variante ohne Tunnel gilt das aber nicht. Trotz der Kostensteigerung soll die Tunnel-Variante noch günstiger sein als eine ebenerdige Variante. Für sie werden 48,26 Millionen Euro veranschlagt. Zur Begründung gibt Baudezernent Dieter Scheidemann an, dass bei einer ebenerdigen Variante die Fahrbahn unter den Bahnbrücken abgesenkt und in einen Trog gelegt werden muss. Nur so könne die inzwischen vorgeschriebene Durchfahrtshöhe von 4,50 Metern gewährleistet werden. Außerdem müssten bei dieser Variante alle Widerlager ersetzt werden. Bei der Tunnel-Variante könnte man weiter die alten Widerlager verwenden.

25. August 2009
Die Bürgerinitiative der Tunnelgegner meldet sich zu Wort und geht in die Offensive. Auf einer Pressekonferenz legt sie Alternativ-Vorschläge zum Tunnel vor. Alle Varianten sehen vor, Autos und Straßenbahnen weiter gemeinsam unter den Bahnbrücken verlaufen zu lassen. Am Kölner Platz sollen zwei Einzelhaltestellen für die Straßenbahnen entstehen. Eine Variante sieht vor, einen Tunnel für Fußgänger zu bauen. Damit könnten Autos und Straßenbahnen den Platz unter den Eisenbahnbrücken komplett für sich nutzen. Auf ihrer Pressekonferenz äußern die Tunnelgegner außerdem harsche Kritik an den Tunnel-Plänen. Sie verweisen auf ein Verkehrskonzept für die Innenstadt, das im Jahre 1997 vom Stadtrat verabschiedet worden war. Es sieht vor, dass weniger Autos durch die Innenstadt und die Ernst-Reuter-Allee fahren sollen. Vor dem Hintergrund sei es auch nicht notwendig, die Durchfahrtshöhe unter den Brücken zu erhöhen. Der Tunnel sorge für mehr Autos. Der Stau bleibe bestehen. Das Vorhaben komme lediglich für die Deutsche Bahn günstiger. Sie profitiere davon, dass Magdeburg sich bei einem Tunnel stärker beteiligen müsse. Die IG Innenstadt der Einzelhändler äußert die Befürchtung, dass während der Tunnel-Arbeiten um die 100 Arbeitsplätze verloren gehen könnten.

08. Oktober 2009
Unter großem Medieninteresse trifft sich der Stadtrat, um den Tunnelbau endgültig auf den Weg zu bringen. Der Druck ist groß: für den Fall eines ablehnenden Votums kündigt die Bahn an, ab sofort die Variante ohne Tunnel zu planen. Nach Angaben von Oberbürgermeister Trümper hat Magdeburg dann ein Kostenrisiko von 20 Millionen Euro, da eine Fördermittelzusage des Landes nur für den Tunnel existiert. Die namentliche Abstimmung endet denkbar knapp. Mit nur einer Stimme Mehrheit votiert der Stadtrat für den Tunnel. Der Oberbürgermeister reagiert erleichtert, aber nicht euphorisch. Er fürchtet, dass die Grabenkämpfe zum Tunnel weiter gehen. Eine Befürchtung, mit der er Recht behalten soll.

04. Dezember 2009
Das Magdeburger Verwaltungsgericht kippt den Stadtratsbeschluss. Es gibt dem grünen Ratsherren Alfred Westphal Recht. Er war in der Debatte nicht mehr zu Wort gekommen und sah sich in seinem Rederecht beschränkt. Der Stadtrat hatte in der Sitzung nämlich beschlossen, die Redezeit auf 60 Minuten zu beschränken und auf die Fraktionen nach Größe zu verteilen. Nach dem Urteil des Gerichts hat der Stadtrat damit gegen seine Geschäftsordnung verstoßen.

11. Dezember 2009
Das Nervenflattern beginnt für Oberbürgermeister Trümper von vorne. Der Stadtrat kommt zu einer Sondersitzung zusammen, um neu zu entscheiden. Diesmal wird die Redezeit nicht begrenzt. Trotzdem sind keine neuen Argumente zu hören, die Debatte dauert nicht länger. Die Befürworter melden sich nämlich nicht mehr zu Wort, nur noch die Gegner. Einige von ihnen tun das, um mitzuteilen, dass sie sich diesmal enthalten werden. Damit kritisieren sie die Klage des grünen Ratsherrn Westphal gegen den vorherigen Beschluss. Eine Stadtratsentscheidung müsse man hinnehmen, auch wenn man in der Sache anderer Meinung sei. Diesmal fällt das Ergebnis deutlicher aus. Für den Tunnel gibt es eine Fünf-Stimmen-Mehrheit. Allerdings muss die Abstimmung mehrere Male wiederholt werden, da man sich verzählte. Eine Peinlichkeit in Anwesenheit zahlreicher Medienvertreter.

18. Dezember 2009
Oberbürgermeister Trümper unterzeichnet die Verträge für den Bau. Insgesamt leistet er vier Unterschriften. Denn der Tunnel betrifft nicht nur die Deutsche Bahn AG, sondern auch die Magdeburger Verkehrsbetriebe, die Städtischen Werke und die Abwassergesellschaft. Im folgenden Jahr 2011 soll es vorbereitende Arbeiten geben. Richtig ernst werden soll es ab 2012. Ab dann will die Bahn ihre maroden Brücken erneuern, und für drei Jahre ist mit Beeinträchtigungen zu rechnen.

09. Januar 2010
Die vorbereitenden Arbeiten gehen planmäßig los. Die Bahn beginnt damit, eine Hilfsbrücke einzuziehen. Sie soll den Bahnverkehr bei den Abrissarbeiten absichern. An drei Wochenenden ist die Ernst-Reuter-Allee nachts gesperrt. Mehr passiert jedoch vorerst nicht.

11. März 2010
Die ins Auge gefasste Verlängerung des Tunnels bis zur Krügerbrücke ist erst einmal wieder vom Tisch. Die Stadtverwaltung informiert die Räte darüber, dass der um 183 Meter längere Tunnel die Verkehrssituation an der Kreuzung Weinarkaden zwar verbessert. Die Mehrkosten dafür in Höhe von mindestens 13,55 Millionen Euro seien aber nicht zu stemmen. Somit bleibt es also vorerst bei einem 323 Meter langen Tunnel. Die Hoffnung, dass der Tunnel irgendwann doch mal 506 Meter lang wird, lebt aber weiter.

22. April 2010
Und es gibt Leute, die es sich sogar noch länger vorstellen. Eigentlich geht es im Stadtrat diesmal gar nicht um den Tunnel, sondern um die Strombrücke. Sie soll über die Alte Elbe hinweg verlängert werden. CDU-Ratsherr Michael Hoffmann beantragt, als Alternative einen noch viel längeren Tunnel als bisher gedacht zu prüfen. Er soll vom Damaschkeplatz bis auf die andere Seite beider Elbarme, also bis zum Heumarkt im Stadtteil Cracau, reichen. Der Antrag wird von einer Mehrheit aber abgelehnt.

09. September 2010
Der Zeitplan für den Bau ist hinüber. Oberbürgermeister Trümper bestätigt, dass sich der Bau verzögert. Die Planung habe länger gedauert. Jetzt würden die Bagger zum eigentlichen Bau erst 2013 anrücken. Auswirkungen auf die Kosten soll die Verzögerung nicht haben.

21. Dezember 2010
Es läuft das Planfeststellungsverfahren. In so einem Verfahren werden Einwände und Anregungen von Bürgern und Institutionen behandelt und einander abgewogen. Am Ende soll ein Planfeststellungsbeschluss Baurecht schaffen. Nach derzeitigem Stand soll das im Oktober 2011 der Fall sein. Kurz vor Weihnachten läuft die Frist für Einwendungen ab. Es gehen rund 285 Einwendungen und Stellungnahmen ein. Dass es so viele sind, liegt auch an der BI der Tunnelgegner. Sie hat Musterkarten angefertigt und die hierauf entstandenen Einwendungen selbst ins Baudezernat gebracht.

26. Juli 2011
Es gibt die nächste Verzögerung. Eigentlich sollten die Vorarbeiten der Städtischen Werke noch im November beginnen. Das ist aber nun nicht mehr möglich. Als neuer Starttermin wird März 2012 anvisiert. Grund für die Verzögerung ist, dass Fördermittel für die Arbeiten nicht rechtzeitig vom Land freigegeben worden sind. Damit nicht genug: Auch der eigentliche Baubeginn im Jahr 2013 wackelt. Denn das Planfeststellungsverfahren zieht sich in die Länge. Die Bearbeitung der 285 Einwendungen und Stellungnahmen braucht Zeit. Eigentlich sollte das Baurecht bis Oktober 2011 geschaffen sein. Nun wird jedoch noch eine weitere Wirtschaftlichkeitsuntersuchung verlangt. Die Stadt Magdeburg soll eine Verkehrsprognose bis zum Jahr 2025 vorlegen. Der Planfeststellungsbeschluss und somit das Baurecht werden erst im Frühjahr 2013 feststehen.

21. August 2011
Die Tunnelgegner nehmen die aktuellen Entwicklungen zum Anlass, noch einmal zu protestieren. Magdeburg bekomme das Vorhaben weder ingenieurtechnisch, noch rechtlich in Griff. Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung könne unmöglich zu einem positiven Ergebnis führen. Außerdem sieht die BI wegen der Verzögerungen Fördermittel verfallen, da der Bau nicht mehr in der anvisierten Förderperiode in Angriff genommen werden kann. Die Stadt müsse also dringend umdenken. In Medienberichten ist auch erstmals zu lesen, die Deutsche Bahn habe bereits einen Plan B in der Tasche. Die Tunnelgegner behaupten weiter, die Bahnbrücken könnten vergleichsweise kostengünstig erneuert werden, ohne die Durchfahrtshöhe auf 4,20 Meter zu erhöhen.

25. August 2011
Oberbürgermeister Trümper reagiert auf einer extra einberufenen Pressekonferenz gereizt. Er wirft den Tunnelgegnern vor, die Bevölkerung gegen besseres Wissen zu belügen. Trümper verweist noch einmal auf die finanziellen Vorteile eines Tunnels für die Stadt. Nur in dem Fall gebe es Fördermittel. Auch die Deutsche Bahn meldet sich zu Wort. Sie weist die Medienberichte über einen angeblichen Plan B zurück.

22. September 2011
Die Grünen im Stadtrat, alle samt ja Tunnelgegner, nutzen die aktuelle Situation, um das Vorhaben erneut zum Thema zu machen. Die Fraktion beantragt, die Auftragsvergabe für weitere Planungsleistungen zu stoppen. Sie ist sich sicher, dass der Tunnel nicht mehr gebaut wird. Oberbürgermeister Trümper verteidigt die Schritte. Egal, was komme – Tunnel oder ebenerdige Variante –, gebaut werde auf jeden Fall. Magdeburg müsse die Vorarbeiten leisten. Letzten Endes wird der Antrag der Grünen deutlich abgelehnt.

30. September 2011
Der Zeitdruck wächst. Ein Baubeginn ist nach wie vor nicht in Sicht. Und es stellt sich die Frage: wie lange noch halten die maroden Eisenbahnbrücken? Nach Auskunft von Bahn-Regionalchef Lothar Legler müssen sie schon jetzt regelmäßig überprüft werden. Jederzeit könne es soweit sein, dass sie abgestützt werden müssen oder Behelfsbrücken eingezogen werden müssen. Das würde ein Verkehrschaos mit sich bringen. Straßenbahnen könnten nicht mehr durchfahren, die westlichen Stadtteile wären also von der Innenstadt abgeschnitten. Außerdem wäre der Autoverkehr unter den Bahnbrücken behindert. Als Folge drohen neue Staus.

28. Februar 2012
Das Warten geht weiter. Von Bauarbeiten keine Spur. Nicht mal die Städtischen Werke und die Abwassergesellschaft können damit beginnen, ihre Leitungen zu verlegen. Es fehlen weiter Finanzierungszusagen des Landes. Auch Fördermittel für den eigentlichen Bau aus dem europäischen Strukturfonds EFRE drohen nun endgültig durch die Lappen zu gehen. Auf die Gelder hatte das Land bisher seine mündlichen Zusagen gestützt. Damit sie abgerufen werden können, müssen zumindest Teile des Tunnels bis 2015 fertiggestellt sein. Das ist jedoch absolut nicht in Sicht. Die Finanzierung wackelt also mehr denn je. Fraglich ist auch, wie das Land zum Tunnel steht. Der frühere Verkehrsminister Daehre hatte stets Gelder versprochen. Inzwischen aber ist Thomas Webel Minister. Und die Signale sind nicht mehr so eindeutig. Im Moment ist sogar völlig unklar, wann der Planfeststellungsbeschluss vorliegen wird und Baurecht besteht. Immerhin: Eine gute Nachricht gibt es für die Stadtverwaltung auch: die viel diskutierte Wirtschaftlichkeitsuntersuchung will das Land nicht mehr haben. Erst einmal…

08. März 2012
Oberbürgermeister Trümper kann aufatmen. Bei einem Gesprächstermin sichert Verkehrsminister Webel ihm mündlich zu, bei der Finanzierung zu helfen. Die Rede ist weiter von 20 Millionen Euro. Das ist wichtig, denn nur so können auch europäische Fördergelder beantragt werden. Wie das Land sich genau an der Finanzierung beteiligen wird, bleibt jedoch unklar.

28. März 2012
Die Sorgen ums Geld sind erst einmal weg. Dafür verzögert sich der Bau erneut. Wie Oberbürgermeister Trümper mitteilt, werden die eigentlichen Arbeiten nicht vor 2014 beginnen. Damit ist der Tunnel frühestens 2017 fertig.

10. April 2012
Mit einem halben Jahr Verspätung liegt der Planfeststellungsbeschluss vor. Damit besteht endlich Baurecht. Zumindest theoretisch…

29. Mai 2012
Praktisch ist das Baurecht wieder schnell dahin. Denn beim Magdeburger Verwaltungsgericht gehen drei Klagen gegen den Beschluss ein. Erster Kläger ist der BUND. Er sieht zum einen den Bedarf für den Tunnel nicht nachgewiesen; zum anderen fürchtet er mehr Luftschadstoffe, da der Tunnel auch von LKWs genutzt werden kann. Außerdem kritisiert der BUND das Belüftungssystem. Die Betreiber des Einkaufszentrums City-Carré reichen Klage ein, weil sie Nachteile für die Geschäfte sehen. Unter anderem sollen Kunden das Parkhaus nach Fertigstellung nicht mehr in alle Richtungen verlassen können. Eine dritte Klage kommt von einer unbekannten Privatperson. Alle drei Beschwerden werden vom Verwaltungsgericht kurze Zeit später ans Oberverwaltungsgericht weitergereicht.

04. Juni 2012
Die Finanzierung des Tunnels steht? Von wegen, sagen die Gegner. Sie betrachten die mündliche Zusicherung durch Minister Webel als warme Worte. Auf schriftliche Anfrage des grünen Landtagsabgeordneten Sören Herbst kann das Ministerium nämlich nicht sagen, aus welchem Fördertopf die 20 Millionen Euro kommen sollen. Klar ist inzwischen: die ursprünglich eingeplanten EFRE-Mittel sind weg. Sie mussten wegen der Verzögerungen für andere Projekte verplant werden.

09. Juli 2012
Oberbürgermeister Trümper zeigt vor dem Stadtrat Nerven. Er beantwortet Anfragen der Linken und gibt dabei zu, in Sorge zu sein, dass Magdeburg die Finanzierung des Tunnels nicht auf die Reihe bekommt. Und an die Tunnelgegner richtet er auch eine Breitseite: „Ich finde es ätzend, dass hier manche hämisch lachen, wenn wir kein Geld kriegen.“

22. August 2012
Die Kosten steigen erneut. Nach neuestem Stand fallen für den Bau des Tunnels und die Erneuerung der Bahnbrücken insgesamt 49,9 Millionen Euro an, rund 5 Millionen mehr als bisher. Magdeburg hofft weiter, mit 5,8 Millionen Euro auszukommen und hat beim Land inzwischen einen Fördermittelantrag für 21 Millionen Euro eingereicht. Rechnet man übrigens noch die Kosten Dritter, zum Beispiel der Verkehrsbetriebe, für zusätzliche Leistungen mit ein, ergibt sich inzwischen eine Gesamtsumme von 58 Millionen Euro.

04. Oktober 2012
Der Stadtrat stimmt dem geänderten Kostenrahmen zu und gibt außerdem 1,6 Millionen Euro für die Gestaltung des Tunnel-Umfelds frei.

23. November 2012
Der Landesrechnungshof befasst sich in seinem Jahresbericht mit dem Tunnel und findet kritische Worte. Es sei unverantwortlich, so ein Projekt zu starten, ohne eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vorzulegen. Außerdem sollten die Kosten des Landes begrenzt werden.

05. März 2013
Die Stadt Magdeburg muss um Fördermittel weiter hart kämpfen. Inzwischen fordert das Verkehrsministerium die viel diskutierte Wirtschaftlichkeitsuntersuchung doch wieder. Damit reagiert das Land auf die Kritik des Rechnungshofes. Die Ausarbeitung wird mehrere Monate in Anspruch nehmen. Somit deuten sich weitere Verzögerungen an. Inzwischen steht auch ein Gerichtstermin fest. Am 25. April will das Oberverwaltungsgericht über die Zulässigkeit der drei Klagen entscheiden. Dabei soll ein Urteil diesbezüglich noch am gleichen Tag fallen.

12. April 2013
Auch der Rechnungsprüfungsausschuss des Landtages, ein Unterausschuss des Finanzausschusses, reagiert auf die Kritik des Rechnungshofes. Er legt fest: die Landesförderung für den Tunnel wird begrenzt. Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Christoph Erdmenger, nennt als ursprünglich mal festgelegte Landessumme 18 Millionen Euro. Mehr gebe es nicht, auch wenn Magdeburg auf 21 Millionen inzwischen hoffe. Oberbürgermeister Trümper gibt sich gelassen, aber auch etwas irritiert. Er sagt, von 18 Millionen Euro sei niemals die Rede gewesen. Trümper erinnert an das Versprechen von Ex-Verkehrsminister Daehre, der 2009 20,4 Millionen zugesichert hatte. Von niedrigeren Summen sei niemals die Rede gewesen.

25. April 2013
Das Oberverwaltungsgericht verhandelt die drei Klagen. Vor Beginn gibt es draußen eine Demonstration von Tunnelgegnern. Anders als angekündigt, fällt das Gericht an diesem Tage jedoch keine Entscheidung. Es soll einen weiteren Termin geben. Wann ist unklar. Fest steht: Es verzögert sich weiter.

03. Mai 2013
Der Fördermittelantrag der Stadt Magdeburg liegt weiter beim Verkehrsministerium und wird geprüft. In einem Zeitungsinterview äußert sich dessen Sprecher Bernd Kaufholz kritisch. Magdeburg habe bisher nicht nachgewiesen, dass sich mit dem Tunnel die Verkehrsverhältnisse verbessern. Außerdem sei die Stadt bisher nicht auf einen Vorschlag des Landes eingegangen. Das Ministerium habe Magdeburg bereits mehrfach nahegelegt, zu prüfen, ob der Bau des Tunnels nicht auf später verschoben werden könne und der Neubau der Bahnbrücken erst einmal unabhängig davon beginnen könne. Mit Ergebnissen der des Wirtschaftlichkeitsuntersuchung soll nicht vor August zu rechnen sein.

11. Oktober 2013
Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt hat die Klagen der Umweltschutzorganisation BUND und eines Einkaufszentrums gegen den Planfeststellungsbeschluss abgewiesen. Aus Sicht der Richter ist der Beschluss rechtmäßig zustande gekommen. Die Kläger können sich nun noch mit einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wenden. Magdeburgs Oberbürgermeister Trümper zeigte sich erleichtert aber auch verärgert über die Klagen. Er sagte MDR SACHSEN-ANHALT, sie hätten mit sinnlosen Argumenten den Bau verzögert. Dadurch seien Baupreise und Personalkosten gestiegen.

14. Oktober 2013
Direkt nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes beginnen die Arbeiten am Magdeburger City-Tunnel. Die städtischen Werke und der Abwasserbetrieb beginnen damit, neue Leitungen zu legen. Wie Oberbürgermeister Trümper MDR SACHSEN-ANHALT sagte, werden diese Vorbereitungen mindestens ein Jahr dauern. Die eigentlichen Tunnel-Arbeiten sollen voraussichtlich 2015 beginnen. Der Tunnel am Magdeburger Hauptbahnhof soll die Innenstadt vom Verkehr entlasten.

25. Juli 2014
Der umstrittene Autotunnel am Magdeburger Hauptbahnhof kann gebaut werden. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat dafür endgültig Grünes Licht gegeben. Die Beschwerde eines Einkaufszentrums gegen das 60-Millionen-Euro-Projekt wurde abgewiesen. Die ersten Arbeiten an der Ernst-Reuter-Allee hatten bereits im vergangenen Oktober begonnen, der eigentliche Tunnelbau soll im Frühjahr 2015 beginnen.

Oktober 2014
Mal wieder wird alles teurer: Die Stadt rechnet nun mit Gesamtkosten von etwa 90 Millionen Euro. Für das größte Vergabepaket des Tunnel-Projekts – die Bauleistungen – liegt das günstigste Angebot bei 68 Millionen Euro. Laut Plan sollten aber nur 40 Millionen Euro ausgegeben werden.

Februar 2015
Am Hauptbahnhof beginnen die Bauvorbereitungen. Unter anderem werden Bäume werden gefällt. Außerdem wird der Verkehr beeinflusst. Zum Beispiel wird der Taxistellplatz am Willy-Brandt-Platz in die Nähe des Intercity Hotels verlegt.

Juni 2015
Der offizielle Baubeginn wird mit einem Spatenstich markiert. Symbolisch wird ein 108 Tonnen schweres Bohrgerät bewegt, das benötigt wird, um den ersten Pfahl am künftigen Tunneleingang am Damaschkeplatz zu setzen.

Dezember 2015
Es wird bekannt, dass sich die Kosten für den Bau des Tunnels noch einmal erhöhen. Bei den Gesamtkosten wird nun mit mehr als 100 Millionen Euro gerechnet. Ursprünglich war gerade ein Drittel davon vorgesehen, rund 36 Millionen Euro. Immer wieder haben vor allem lange Planungsphasen, teilweise durch Gerichtsverfahren verursachte Verzögerungen, die Kosten in die Höhe getrieben.

Quelle: MDR-Sachsen-Anhalt

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