Die Zahlen, die GWA-Sprecher Jürgen Canehl zu Beginn der Podiumsdiskussion am Dienstagabend an die Tafel schrieb, sprachen für sich: Während in den Altersgruppen 6 bis 10, 11 bis 15 und 16 bis 20 Jahre derzeit jeweils zwischen 700 und 900 Stadtfelder im Stadtteil leben, sind es bei den Jüngsten bis 5 Jahren bereits 1 650 Kinder. „Es wird uns eine Welle erreichen“, prognostizierte er. Für den Sprecherrat der AG Gemeinwesenarbeit (GWA) Stadtfeld-Ost besteht also Grund zum Handeln, weshalb er zur offenen Debatte über die Zukunft der Kinder- und Jugendarbeit eingeladen hatte.
Von den Einrichtungen waren aber nur Liane Kanter vom Kinder- und Familienzentrum „Emma“, Claudia Kuhn vom CVJM sowie Marco Krüper vom Jugendrotkreuz erschienen. Streetworker Jürgen Genzmann und Peter Tennert vom KJH „Heizhaus“ als Vertreter kommunaler Einrichtungen wurde die Teilnahme off enbar untersagt. So war nur eine teilweise Bestandsaufnahme möglich.
Claudia Kuhn berichtete, dass an den vier off enen Nachmittagen durchschnittlich 30 Kinder und Jugendliche ihre Einrichtung in der Tismarstraße besuchen. „Was wir momentan haben, ist aber zu wenig“, sagte sie. Insbesondere die Abende und Wochenenden für ältere Jugendliche müssten noch ausgebaut werden. Auch der Montagabend in der Sporthalle in der Schule am Westernplan werde immer sehr gut angenommen.
Sport in der Halle sehr beliebt Ähnliches erlebt auch Liane Kanter: „Unsere zwei Turnhallenzeiten sind immer voll.“ In der „Emma“, die seit 1990 am Schellheimerplatz zu fi nden ist, werde jedoch nur eine Zielgruppe bis 14 Jahre bedient. „Wenn sie bei uns rauswachsen, wissen wir nicht, wo wir sie hinschicken sollen“, erklärte sie. Deshalb sei es dringend notwendig, dass es mehr Angebote gebe.
Der Kinder- und Jugendclub des Jugendrotkreuzes dürfte vielen Stadtfeldern gänzlich unbekannt sein. Im „Seifama“-Haus am Beginn der Großen Diesdorfer Straße verwalten die Jugendlichen, die Marco Krüper ehrenamtlich betreut, eine ganze Etage selbst. „Sie spielen Tischtennis, Computer, geben Nachhilfe oder Erste-Hilfe-Kurse. Unser großer Nachteil ist, dass wir keine Außenfl äche haben“, erzählte er. Deshalb sei der Jugendclub im Winter gut besucht, im Sommer eher weniger. 50 bis 60 Jugendliche kämen im Schnitt zu ihm.
Angesichts der Tatsache, dass es in Stadtfeld-Ost keine einzige weiterführende Schule gibt, dürften auch das „Kinderhaus“ in der Flechtinger Straße sowie das „Heizhaus“ nicht vergessen werden, erinnerte Claudia Kuhn.
Bedarf muss ermittelt werden Grundsätzlich müsse jedoch erst einmal geschaut werden, was Jugendliche tatsächlich wollen und brauchen, so der Tenor der Runde. „Denn nicht jeder Jugendliche braucht einen Sozialarbeiter“, sagte Grünen-Stadtrat Thorsten Giefers. Doch die vorliegenden Daten im Jugendhilfeplan sind laut Liane Kanter inzwischen veraltet und bedürfen einer Aktualisierung. Doch solche Studien kosten Geld, das derzeit fehle.
Linke-Stadtrat Torsten Hans sprach sogar von einem drohenden „Kampf der Stadtteile“ um Einrichtungen. Er könne sich ohnehin nicht vorstellen, dass neue Objekte entstehen, sondern es nur um den Erhalt des Bestands gehen wird.
Matthias Gehrmann, Sprecher der GWA Neu-Olvenstedt, bestätigte seine Sorgen sogleich. Er war nach Stadtfeld gekommen, um für den Erhalt des KJH „Weizengrund“ zu werben. Er forderte „über den Tellerrand zu schauen“ und lud die Stadtfelder Jugendlichen dorthin ein.
Nur „2 bis 3 Prozent“ Kürzung Thorsten Giefers war auch für eine Grundsatzdiskussion, die sich mit der Frage befasst: „Was kostet Jugendarbeit bei den städtischen Einrichtungen und bei den freien Trägern?“ Seiner Aussage nach kosten die 8 kommunalen Häuser genauso viel wie die 20 Einrichtungen der freien Träger.
Außerdem müsse man Jugendlichen auch öff entliche Rückzugsräume geben können, ohne gleich den Anwohnerzorn heraufzubeschwören. Roland Mainka vom Stadtjugendring bezeichnete dies als das viel bedenklichere Problem: „Wegschicken ist keine Lösung.“
Eine gute Nachricht hatte Liane Kanter schließlich zu verkünden: Die drohende zehnprozentige Kürzung bei der Einrichtungsförderung konnte am vergangenen Montag im Jugendhilfeausschuss auf „2 bis 3 Prozent“ gedrückt werden. Zusätzliche Anschaffungen sind aber weiterhin nicht drin.
Roland Mainka bekräftigte, dass es wichtig sei, „dass in solch kleinen Einheiten wie der GWA über den tatsächlichen Bedarf diskutiert wird.“ „Das jetzt erkämpfte Kürzungslevel ist nicht noch einmal möglich“, stellte er klar. Wenn die kommunalen Einrichtungen jedoch mit der gleichen Effizienz wie die freien Träger arbeiten, seien fünf Jahre lang keine Kürzungen mehr nötig.
(Volksstimme vom 22.03.2012)
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