In einem Punkt waren sich alle Teilnehmer und Zuhörer der Podiumsdiskussion am vergangenen Mittwochabend einig: „Es muss schnell etwas am Schulgebäude am Westring geschehen.“ Doch wie genau dieses „Etwas“ aussehen soll, darüber gab es unterschiedliche Auff assungen. Denn auch wenn am Anfang die Schulleiter betonten, wie gut man sich mit der beengten Situation arrangiert hätte, wurde mit fortschreitender Stunde deutlich: Die Fronten sind verhärtet.
Aber der Reihe nach: Die AG Gemeinwesenarbeit Stadtfeld-Ost hatte zu dem öffentlichen Forum in der Integrierten Gesamtschule (IGS) „Willy Brandt“ eingeladen, um über die Raumsituation am Standort zu diskutieren. Neben der IGS mit knapp 900 Schülern lernen auch noch die acht Klassen der Grundschule „Am Westring“ in dem Klinkerbau. Deren Hortbetreuung erfolgt in den Klassenräumen bzw. in einem dunklen Kellerraum.
Und das mittlerweile bereits seit zehn Jahren. GWA-Sprecher Jürgen Canehl fragte denn auch provokant Gerald Bache, Geschäftsführer des Hortträgers Internationaler Bund: „Wieso haben Sie sich das so lange gefallen lassen?“
Corinna Ulitzka berichtete zunächst aber über die Situation an der IGS. Insgesamt 49 Räume würden ihr zur Verfügung stehen, rein rechnerisch müsste sie nach den geltenden Richtlinien für ihre Schülerzahl 56 Räume nutzen können. In der Oberstufe müssten viele Kurse ausfallen, weil die Räume nicht frei sind, was auch viele der anwesenden Eltern bemängelten. Für ihre 86 Lehrerkollegen stehen auch nur zwei Zimmer zur Verfügung. Die Ganztagsbetreuung finde wie beim Hort im Keller statt.
Ihre Kollegin Gudrun Strickrodt, Leiterin der GS, hat für acht Klassen ebenso viele Räume zur Verfügung, obwohl nach den gleichen Richtlinien zwei mehr vorgehalten werden müssten. „Wir können den Kindern in der jetzigen Situation nicht geben, was sie verdienen“, urteilte sie und beruft sich auf das Prinzip „kurze Beine, kurze Wege“ wenn sie sagt: „Wir gehen hier nicht raus.“
Denn als es schließlich um Lösungsansätze für das Raumdilemma ging, wurde deutlich: Der jeweils andere Hausnachbar soll nachgeben. Konkret heißt das, dass Corinna Ulitzka die Grundschule am liebsten an einem anderen Ort sehen würde, damit die IGS das ganze Gebäude nutzen kann: „Man sollte prüfen, ob die Grundschule mit dem Hort umziehen kann.“ Auf diese klare Kampfansage erhielt sie denn auch spontanen Applaus aus dem Publikum.
Doch auch Gudrun Strickrodt gab sich kämpferisch: „Wir fänden es besser, wenn die IGS teilweise ausgelagert wird.“ Auch für diese Aussage gab es Szenenapplaus. Andrea Matthies hielt sich diplomatisch zurück und stellte nur fest: „Wir gehen da hin, wo die Grundschule ist.“ Doch wo das sein wird, blieb auch nach zwei Stunden unklar. Das Geld für einen Neubau hat die Stadt nicht, der Platz ist auf dem Gelände ohnehin nicht vorhanden. Eine Lösung für den Hort, wie die ehemalige Schlecker-Filiale in der Fröbelstraße, die für den IB durchaus vorstellbar wäre, würde die Probleme zwischen IGS und Grundschule nicht lösen.
Jürgen Canehl brachte die ehemalige Maxim-Gorki-Schule und die Schiller-Schule als mögliche Ausweichquartiere ins Spiel. Diese waren vor Jahren verkauft worden, seitdem hat sich aber nichts getan. „Vielleicht könnte man die zurückkaufen oder mieten“, meinte er. Doch dass die IGS-Schüler zwischen den beiden Standorten hin- und her pendeln, hielt Corinna Ulitzka für ausgeschlossen.
Besonders prekär für Stadtfeld- West: Auch am Schulstandort Schmeilstraße gibt es ähnliche Animositäten zwischen den Nachbarn, der Sekundarschule „Oskar Linke“ und der Grundschule „Schmeilstraße“. Die Sekundarschule will sich mit naturwissenschaftlichem Schwerpunkt profi lieren und braucht dafür auch mehr Räume – die von der Grundschule belegt werden. In der Sudenburger Amsdorfstraße gab es das gleiche Problem, hier wurde eine Lösung gefunden, die Grundschule zieht um. Doch wohin, selbst wenn sie es wollten, könnten die Grundschulen in Stadtfeld-West ziehen?
Ingo Gottschalk, Leiter der Stabsstelle für Jugendhilfeplanung, versuchte die Situation herunterzuspielen: „So schlimm ist es doch gar nicht.“ Damit stieß er aber auf Kritik seitens der anwesenden Eltern. Einen Tag vor dem Forum machte sich Bürgermeister Rüdiger Koch ein Bild von der Situation und war schockiert, wie Hortleiterin Andrea Matthies erzählte. Er versprach ihr, dass sich auf jeden Fall etwas ändere.
Beate Aehnelt, die in beiden Schulen Kinder hat, sagte: „Ich verstehe nicht die Vehemenz der Grundschule hier bleiben zu wollen.“ Ein Umzug böte doch auch eine Chance. Ihr Sohn Lasse wollte sogar sein Taschengeld spenden, um einen neuen Hortraum zu bekommen, erzählte sie. „Es war seine Idee, um aus der räumliche Enge zu entfl iehen.“
Die anwesenden Stadträte Jürgen Canehl, Torsten Hans, Klaus Kutschmann und Oliver Müller erklärten schließlich den Anwesenden, dass sie mit dem Schritt an die Öffentlichkeit das Richtige getan hätten: „Wir lassen uns etwas einfallen.“
(Volksstimme vom 21.11.2011)
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